Ein gestrauchelter Polit-Star zu Gast in Mühldorf: Ex-Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg war der Festredner bei einem Wirtschaftsempfang in Mühldorf. Transatlantische Fragen waren sein Thema, mehr Engagement der EU eine Forderung. Zu US-Präsident Donald Trump gab er eine klare Vorhersage ab.
Mühldorf – Rund 450 Gäste fanden sich am Sonntagabend zum Neujahrsempfang des Industrie- und Wirtschaftsverbundes Mühldorf (IVM) sowie der Industriegemeinschaft Waldkraiburg und Aschau (IGW) im Mühldorfer Stadtsaal ein. Als Festredner sprach der frühere Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der heute in den USA lebt und arbeitet, zum Thema „2020 – Risiken und Chancen eines transatlantischen Schlüsseljahres“.
In seiner Begrüßung betonte IVM-Vorsitzender Jörg Neimcke, dass Frieden in der heutigen Zeit keine Selbstverständlichkeit sei. „Wir können dankbar und stolz sein auf das Erreichte in der Europäischen Union.“ Sorgen bereiteten ihm jedoch die europakritische Stimmung sowie der zunehmende Populismus und der Rechtsruck in der Gesellschaft. Hier bedürfe es einer Politik der klaren Worte.
Angesichts dieser Entwicklungen betonte er die Bedeutung einer stabilen Basis aufgrund einer hohen Beschäftigungsquote und die Förderung des ehrenamtlichen Engagements auch durch die Wirtschaft. Mit dem Appell, die Demokratie auf kommunaler Ebene zu fördern, kam Neimcke auf lokale Themen zu sprechen wie die geplante Ostumfahrung Mühldorfs oder das Forschungszentrum für biobasierte Materialien in Waldkraiburg. „Es ist wichtig, dass wir als Wirtschaft Akzente setzen für eine stabile Region und ein stabiles Europa“, so Neimcke auch mit Blick auf neue Technologien.
Karl-Theodor zu Guttenberg wies zu Beginn seines Vortrags darauf hin, dass das transatlantische Verhältnis, das sich auf die deutsche Wirtschaft und Betriebe auswirke, sich grundlegend gewandelt habe. Er sprach dabei von einer dramatischen Veränderung der Welt. „Die Weltordnung ist gekennzeichnet durch die wirtschaftliche und militärische Stärke der Mächte USA und China. Deren Konfliktlage betrifft über den Export auch regionale Unternehmen.“
Mit Blick auf die weitere Entwicklung in den USA hielt zu Guttenberg eine Wiederwahl Donald Trumps aus heutiger Sicht für sehr wahrscheinlich. Dabei bescheinigte er dem amerikanischen Präsidenten durchaus Cleverness. Den politischen Skandal habe dieser durch Inflationierung entwertet und er bediene zwei tief sitzende Sehnsüchte: die nach Authentizität – unabhängig davon, was man von Trump halte – und die nach unverfälschter Meinung über Tweeds anstelle gefilterter Meinung. „Er zieht das, was er angekündigt hat, auch durch“, so der frühere Verteidigungsminister.
Angesichts der Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit forderte zu Guttenberg mehr konzeptionelles Handeln auf Bundes- und EU-Ebene ein. Sicherheitsaspekte und eigene Interessen sollten mit mehr Nachdruck verfolgt werden.
„Die europäische Kraftfindung ist heuer ganz wesentlicher Maßstab dieses Handelns.“ Europa müsse sich durch klare Positionierung und eine eigene Agenda Eigenständigkeit als dritter Block verschaffen. „Was können wir aus der gegebenen großen Kraft formen?“, fragte zu Guttenberg und gestand ein, dass zur Beantwortung dieser Frage bisher die notwendige Leidenschaft fehle. Das Ermöglichen müsse im Vordergrund stehen und nicht die Skepsis. Die Kraft dafür sei vorhanden, auch über Parteigrenzen hinweg. Für Deutschland und Europa sah zu Guttenberg keine dunkle Stunde, „aber andere beginnen, von unserer Schwäche zu profitieren“. Es gebe nach wie vor Hoffnung für den Kontinent, „aber das Zeitfenster schließt sich“. Abschließend kündigte zu Guttenberg an, auf Wunsch der beiden Töchter mit der Familie wieder nach Europa zurückzukehren, wenngleich seine berufliche Tätigkeit in den USA weiterhin des Öfteren seinen Aufenthalt dort erfordern werde.
Mühldorfs Bürgermeisterin Marianne Zollner (SPD) ging in ihrer Ansprache auf die Bedeutung des Hochschul- und Wissenschaftsangebots in Mühldorf und Waldkraiburg als Zukunftsmotoren für die Region ein. Die Zahl der Arbeitsplätze sei in Mühldorf in den Jahren 2010 bis 2018 von 8860 auf über 12 000 gestiegen, die der Betriebe von 1808 auf 2044. Eine leistungsfähige Infrastruktur brauche politisches Engagement, so Zollner.
Bei der Entwicklung des neuen Flächennutzungsplans für Mühldorf betonte sie als Hauptziele „bezahlbarer Wohnraum“ und „Verkehr“, hier im Besonderen den Bau der Osttangente und die Schaffung von Parkplätzen.
Als den Beginn eines Schlüsseljahrzehnts für die Klimawende bezeichnete Landrat Georg Huber (CSU) das Jahr 2020 und wies dazu auf die Uneinigkeit der Staatsvertreter über Maßnahmen und deren Umsetzungstempo hin. Deswegen könne klima- und umweltfreundliches Wirtschaften und Handeln vor allem in der Region gelingen, beispielsweise über Ökoprofit-Projekte für Unternehmen. Betriebe, die nachhaltiges Wirtschaften unterstützten, investierten in ihre Zukunftsfähigkeit und sicherten Arbeitsplätze, sagte Huber. Zum Thema „klimafreundliche Verkehrskonzepte“ wies der Landrat auf den Test wasserstoffbetriebener Züge im Linienstern Mühldorf hin sowie auf das neue ÖPNV-Konzept im Landkreis Mühldorf.